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Cannabis und Drogenpolitik
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Japanische Hanfpflanzen Hanf (Cannabis sativa, englisch hemp, japanisch: asa) ist eine der ältesten Nutzpflanzen der Menschheit und auch eine der am vielseitigst verwendbaren. Sie kann uns mit Fasern für Kleidung und Papier aus ihrem Stengel versorgen, mit Öl als Lebensmittel oder Brennstoff aus ihrem Samen sowie mit Medizin. Es ist ausserdem auch eines der am wenigsten schädlichen dem Menschen bekannten Genussmittel, wahrscheinlich weniger schädlich als Alkohol und Tabak. Trotzdem steht Cannabis seit 1929 im Opiumbesetz (jetzt Betäubungmittelgesetz) und auf seinen unerlaubten Besitz und Anbau stehen strenge Strafen. Bei näherer Betrachtung erweisen sich die dafür oft vorgebrachten Begründungen als haltlos. Das Cannabisverbot ist ein juristisches Fossil das nur die Glaubwüridigkeit der aktuellen Drogenpolitik untergräbt.

Warum wurde der Besitz von Cannabis eigentlich verboten?
Cannabis wurde in Deutschland nicht etwa verboten weil es zuviele Probleme damit gegeben hätte, obwohl Cannabiskonsum bereits damals verbreitet war. Haschischhaltige "Orientzigaretten" waren bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts in Deutschland im Handel. "Kraut" oder "Knaster" wurde bis nach dem 2. Weltkrieg von der Landbevölkerung (besonders in Sueddeutschland und im Alpenraum) als billiger Tabakersatz geraucht. Probleme gab es aber keine damit. Zum Verbot kam allein aufgrund von aussenpolitischen Schachzügen. Das Cannabisverbot erfolgte um einer vertraglichen Verpflichtung aus dem Abkommen der 2. Internationalen Opiumkonferenz von 1925 nachzukommen. 1923 hatte Südafrika erstmals gefordert, den nichtmedizinischen Gebrauch von Cannabis wie bei Opium international zu unterdrücken. Es wurde im folgenden Jahr von Ägypten und der Türkei unterstützt. Die Verfechter des Verbotes behaupteten, Cannabis mache wahnsinnig und gewalttätig und begründeten das mit der Beobachtung dass manche Insassen von Irrenhäusern und Gefängnissen vorher Cannabis geraucht hatten. Wissenschaftliche Studien wurden dazu keine vorgebracht. Indien, wo der Cannabiskonsum weitverbreitet war, lehnte die Gleichstellung von Cannabis mit Opium ab. Eine 3000-seitige Studie im Jahre 1894 hatte dort keinen Grund für ein Verbot gefunden. Eine Mehrheit für das Verbot entstand erst als Deutschland im Gegenzug für die Unterstützung des Cannabisverbotes weiter Heroin nach Ägypten exportieren durfte. Der Cannabiskonsum selbst verstösst in Deutschland übrigens nach wie vor gegen kein Gesetz. Man darf Cannabis nur nicht ohne Genehmigung besitzen, anbauen, ein- oder ausführen, es abgeben oder erwerben.

Macht Cannabis abhängig?
Anders als von Heroin oder Alkohol kann man von Cannabis nicht süchtig (körperlich abhängig) werden, aber man kann (wie von einer Freundin oder von Fernsehen) psychisch abhängig werden. Die Äbhängigkeit ist dabei meist relativ leicht. Wie Alkohol und Lebensmittel kann Cannabis auf eine Art und Weise gebraucht werden die für den Konsumenten schädlich ist (d.h. es kann missbraucht werden), aber das ist nicht der Normalfall. Die Mehrheit der Konsumenten benutzt Cannabis als Genussmittel in einer Art und Weise die kaum negative Auswirkungen hat, ausser dem Risiko, vor Gericht zu landen. Während man bei Alkohol von 10-15 Prozent abhängiger Konsumenten ausgeht und bei Nikotin von 33 bis 50 Prozent sind es bei Cannabis um die 8 Prozent. (Kleiber-Studie) Die Gründe für problematischen Drogenkonsum sind nicht in erster Linie bei der Substanz sondern in der Persönlichkeit des Konsumentem und seinem Umfeld zu suchen. Diese Problemkonsumenten brauchen keine Kriminalisierung sondern Hilfe. Strafandrohung und Stigmatisierung hält sie eher noch davon ab, Hilfe zu suchen. [1]

Ist Cannabis eine Einstiegsdroge?
Cannabis wurde nicht deshalb verboten weil es zu Heroin führen könnte. Tatsächlich verbreitete man diese Behauptung erst ab 1947-48, nachdem nämlich klar geworden war dass die ursprüngliche Begründung des Verbotes, dass Cannabis zu Wahnsinn und Gewalttätigkeit führe, unhaltbar geworden war. Während über 90% der Heroinkonsumenten vorher Cannabis probiert haben ist der Umkehrschluss, die meisten Cannabiskonsumenten würden bei Heroin landen, unzulässig. Etwa 5-6 Millionen Menschen in Deutschland die Cannabis konsumiert haben stehen etwa 100.000-150.000 Heroin- und Kokainsüchtige gegenüber. Zahlreiche offiziellen Studien sind aufgrund dieser und ähnlicher Zahlen zu dem Schluss gekommen dass Cannabis keine Einstiegsdroge ist. Bereits 1991 wurde dies in einem Urteil des schweizer Bundesgerichts [2] festgestellt.

Tatsächlich haben Heroinkonsumenten meist schon vor dem ersten Koktakt mit Cannabis oder Heroin Suchtverhalten mit Alkohol und Nikotin eingeübt, Drogen mit denen sie typischerweise sehr früh begonnen haben. Die These von Cannabis als "Einstiegsdroge" lenkt nur von den eigentlichen Gründen für den Heroinmissbrauch ab. Eine grosse Rolle beim Heroineinstieg spielt das psychosoziale Umfeld. Viele Konsumenten kommen aus zerrütten Familien oder wuchsen mit einem alkoholkranken Elternteil auf. Viele wurden als Kinder sexuell missbraucht. Eine Studie fand dass 16 Prozent der spritzenden Drogenabhängigen in Heimen aufgewachsen waren (Cannabiskonsumenten: 0,2 Prozent). Die Heroinwirkung auf die Opiatrezeptoren im Gehirn erzeugt künstlich das Gefühl von Geborgenheit das sie seit ihrer Kindheit vermisst haben.

Wie gefährlich ist Cannabis wirklich?
Oft angeführte angebliche Risiken von Cannabis (z.B. Chromosomenschäden, "amotivationales Syndrom", "Flashback", usw.) gehen auf 20-25 Jahre alte Veröffentlichungen einzelnen Wissenschaftler wie z.B. Dr Nahas oder Dr Täschner zurück die in Fachkreisen sehr umstritten sind. Teilweise haben sie inzwischen selbst diese Meinungen widerrufen. Besonders gerne werden diese veralteten Quellen von der extrem rechten schweizer Psychosekte "Verein für Psychologische Menschenkenntnis" (VPM) verbreitet, die hinter der 1997 mit 71 zu 29 Prozent gescheiterten Initiative "Jugend ohne Drogen" stand.

Der heutige wissenschaftliche Konsens ist dass Cannabis zwar nicht harmlos ist aber doch deutlich weniger gefährlich als die zwei am meisten konsumierten legalen Drogen [3], Alkohol und Nikotin.

Im Dezember 1997 erschien der erste Cannabisbericht der Weltgesundheitsorganisation WHO in 15 Jahren. Er verglich in einem Kapitel die Gesundheitsrisiken von Cannabis mit legalen Drogen. Am Ende äusserten die Autoren die Vermutung dass selbst wenn Cannabiskonsum so weitverbreitet wäre wie Konsum von Alkohol und Tabak die Schäden dadurch trotzdem nicht an die Schäden dieser legalen Drogen heranreichen würeden. (WHO) 1993 vom Landgericht Lübeck herangezogene Gutachter kamen ebenfalls zu dem Ergebnis dass Alkohol und Tabak "evident gefährlicher" sind als Cannabis. (LG Lübeck)

Kontrollierter legaler Vertrieb an Erwachsene
Niemand sollte bestraft werden weil er Cannabis in für den Eigenbedarf üblichen Mengen besitzt oder anbaut. Das widerspräche dem Übermassverbot des Grundgesetzes. Es ist nicht sinnvoll, Gesetze so durchzusetzen dass sie im Leben von Menschen mehr Schaden anrichten als das Verhalten, von dem diese Gesetze abhalten sollen, besonders wenn es ausser dem Bestraften keinen Geschädigten gibt. Deshalb bin ich für ein Ende des Cannabisverbots und für staatliche Kontrolle und Besteuerung wie bei Alkohol oder Tabak. Abgabe an Minderjährige und Fahren im berauschten Zustand sollten dabei analog zu Alkohol weiterhin verboten bleiben. Eine Gleichstellung von Cannabis mit Alkohol und Tabak ermöglicht es, sachlich über die Risiken von Missbrauch und Gesundheitsschäden durch die verschiedenen Substanzen aufzuklären, ohne Verharmlosung oder Dämonisierung zwecks Rechtfertigung des bestehenden juristischen Statuses.

Das Cannabisverbot im internationalen Recht
Bestehende internationale Drogenabkommen zwingen den Gesetzgeber nicht dazu, den Besitz von Cannabis zu verbieten. Die "Single Convention" von 1961 überlässt die Entscheidung, ob ein Verbot des Konsums, Besitzes, Anbaus oder Handels das geeignetste Mittel zum Schutz der Bevölkerung ist, ausdrücklich den einzelnen Unterzeichnerstaaten. Im Falle des deutschen Rechts ist z.B. der Konsum von Cannabis bereits straffrei, was jedoch wegen des Besitzverbotes praktisch ohne Auswirkungen ist. Hier wäre mehr Konsequenz angesagt.

Erster Schritt: Entkriminalisierung
Als erster Schritt sollte zumindest der Besitz und Anbau kleiner Mengen von Cannabis für den Eigengebrauch als eine Ordnungswidrigkeit eingestuft werden die mit einer Geldbusse belegt ist, ähnlich etwa zu einer gerinfügigen Geschwindigkeitsübertretung im Strassenverkehr. Das würde der Polizei die Möglichkeit geben, im Einzelfall selbst zu entscheiden, ob die Umstände ein Einschreiten rechtfertigen, ohne dass jedesmal automatisch ein Verfahren eröffnet wird das nur Polizei, Staatsanwaltschaft und die Gerichte mit unnötigem Papierkrieg personell belastet. In mehreren Teilen Deutschlands ist das bereits informelle Praxis.

Reform erfordert Druck von unten
Wer sich dabei auf die Politiker verlässt der ist verlassen. Die meisten Politiker haben zuviel Angst, mit einer Legalisierung Wählerstimmen zu verlieren. Es lohnt sich für sie nicht, für das "Recht auf Kiffen" zu kämpfen, wie sie das sehen. Manche Politiker schüren sogar Ängste und Vorurteile, in der Hoffnung, dadurch mehr Vollmachten für Regierung und Polizei durchzusetzen und ihre Macht zu festigen. Bevor Politiker aller Parteien das heisse Eisen Cannabislegalisierung anfassen muss erst ein Umschwung der öffentlichen Meinung deutlich werden. Wir müssen verständlich machen dass die jetzige Drogenpolitik Probleme nicht löst sondern vergrössert. Legalisierung hat Vorteile für die Suchtbekämpfung, für den Jugendschutz, die öffentliche Ordnung (Bandentätigkeit, überlastete Justiz) die wesentlich mehr Menschen betreffen als nur die Konsumenten verbotener Drogen. Zur Aufklärungsarbeit gehören Demonstrationen wie die alljährliche Hanfparade, Leserbriefe, Zeitungsartikel und eine allgemeine Bereitschaft, über eine wirksamere Drogenpolitik in jedem geeigneten Forum zu diskutieren. Wir alle müssen den Anfang machen.

Cannabislegalisierung in Deutschland

Cannabislegalisierung in Österreich

Anmerkungen:

[1] Eine neuseeländische Studie stellte fest dass nur jeder neunte Nichtkonsument das Verbot als Grund für den Nichtkonsum angab. Andererseits war die Illegalität der Droge der meistgenannte Grund warum Konsumenten die Probleme mit dem Konsum hatten trotzdem keine Hilfe in Anspruch nahmen.

[2] "Der Gebrauch von Cannabis führt ferner keineswegs zwangsläufig zu jenem gefährlicherer Stoffe; nach neuesten Schätzungen greifen insgesamt etwa 5 % aller Jugendlichen, die Erfahrung mit Cannabis haben, zu härteren Drogen." (Urteil des Schweizer Bundesgerichts vom 29.08.1991)

[3] Während viele Menschen beim Begriff "Droge" nur an illegale Substanzen denken wird dieser Begriff in der Medizin weiter gefasst: "Nach einer Definition der Weltgesundheitsorganisation gilt jede Substanz als Droge, die in einem lebenden Organismus Funktionen zu verändern vermag. Dieser erweiterte Drogenbegriff erfaßt nicht nur Cannabisprodukte, Halluzinogene, Stimulantien, Schnüffelstoffe, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Alkohol, Tabakerzeugnisse, Schmerzmittel Opiate und Kokain. Er bezieht sich auch auf Alltagsdrogen wie z.B. Kaffee und Tee und grenzt Drogen einerseits sowie Genuß- und "Lebens"mittel andererseits nicht mehr trennscharf voneinander ab." (Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e.V. [http://www.dhs.de/basis/sucht.htm])

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